Neues aus den ZillerSeasons

Stille Meister

Sonnenaufgangswanderung auf die Gerlossteinwand

Als um 3 Uhr der Wecker klingelt, bin ich noch ein wenig benommen. Alles ist noch dunkel und friedlich, ich schleiche aus dem Schlafzimmer und ziehe mir leise die Wanderschuhe an. Unsere Freunde von Werder Bremen sehen erstaunlich munter aus, als wir in die Postkutsche steigen und in Richtung Gerlosberg aufbrechen. Judy, unsere Wanderexpertin, ist auch dabei.

Wo wir im Winter johlend talwärts rodeln, fahren wir nun hinauf. Die Rodelbahn am Hainzenberg sieht aus dieser Perspektive ganz anders aus. Ich erkenne die Kurven, in die ich mich im Winter mit dem Schlitten hineinlege und freue mich. Die Erinnerungen an den Schnee erfrischen den Geist und machen mich ein wenig wacher.

Wir parken unsere Postkutsche bei der Bergstation Gerlosstein und starten los. Es ist schon dreiviertel vier, die Stirnlampen leuchten uns den Weg. Judy geht voraus. Und wie! Mein Biorhythmus ist nicht wirklich auf das nächtliche Abenteuer ausgerichtet. Staunend ob der Kondition der Wandergruppe bilde ich das Schlusslicht. Aber naja – klar! Sind ja auch Spitzensportler. Herrje, daran hätte ich auch vorher denken können!

Die weidenden Kühe sehen uns wiederkäuend und etwas verwundert an. Wieder frage ich mich, wie diese Tiere es schaffen, mit ihren massigen Körpern und den schlanken Beinen, den weiten Weg auf die Alm herauf zu bewältigen. Aber – es geht!

Marie-Theres spricht ständig vom „flachen Stück“, das jetzt gleich kommt. „Da geht es nur noch eben hinaus“, sagt sie. Ich blicke hinauf und erkenne in der Morgendämmerung die Gerlossteinwand, die in etwa 500 Höhenmeter über uns ragt. Flach? Wie meint sie das?

Langsam und in regelmäßigen Schritten steigen wir hinauf. Wir sprechen wenig, sind ganz bei uns. Noch müssen wir uns konzentrieren, die Schritte richtig zu setzen. Die Augen haben sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt. Die Landschaft wirkt beruhigend, es ist still. Die Gedanken sind frei. Berge sind stille Meister. Sie machen schweigsame Schüler, sagte schon Goethe. Recht hat er.

Das Jahr, das hinter uns liegt, hat von uns allen viel abverlangt. Unsere Betriebe standen still, der Großteil unserer Mitarbeiter befand sich in Kurzarbeit. Die Vollbremsung hat ihre Spuren hinterlassen, bei uns allen.

Ich blicke auf zu unseren Freunden vor mir. Auch sie haben eine schwere Zeit hinter sich. Der Abstieg in die 2. Liga macht ihnen zu schaffen. Was ist mühevoller – ein Aufstieg oder ein Abstieg? Wenn man alles gibt und am Ende alles doch zu wenig war, ist der Abstieg dann schlimmer, als der vorausgegangene Kampf nach oben? Oder kann man den Talboden als Ziel betrachten, wo der Aufstieg begann? Der Boden, den man braucht, um zur Ruhe zu kommen und um Kraft zu schöpfen?

Unsere kleine Wandergruppe bleibt stehen, um hinunter zu blicken. Wir haben die Hälfte der Strecke geschafft und schauen in das friedliche Tal hinab. Viele kleine Lichter wirken wie Sterne, sie schlängeln sich durch das Zillertal wie eine Karawane Glühwürmchen. Die Bergspitzen sind in ein wundervolles Licht getaucht. Sie leuchten zart orange, der Himmel ist tief nachtblau. Es ist atemberaubend schön. Als würden die Gipfel gebrannt haben und noch glühen.

Der schmale Weg schlängelt sich weiter bergauf. Ich freue mich über die die Latschen, die hier überall wachsen. Der Storchenschnabel und der Bergbaldrian säumen unseren Weg. Die Almrosen blühen in Pink, die vielen, vielen gelben Blüten der Trollblumen leuchten uns den Weg. Wie wunderschön und unberührt sich die Natur hier oben präsentiert. Unsere Blicke schweifen ehrfürchtig ins Tal hinunter. Die Sicht ist atemberaubend. Wir schauen das Zillertal hinaus bis in das Inntal und in Richtung Süden hinunter nach Hippach, hinein nach Mayrhofen und Brandberg. Kurz vor dem Gipfel entdecke ich noch blühenden Enzian – und freu mich auf den Gipfelschnaps.

5.30 h – wir sind da! Stolz stehen wir am Gipfelkreuz und genießen den kühlen Wind, der uns um die Nase weht. Alle freuen sich, es geschafft zu haben und darüber, dass wirklich genau jetzt der Sonnenaufgang beginnt. Wir zücken Handys und Kameras und möchten den Augenblick festhalten. Verzaubert beobachten wir, wie sich die Sonne im Osten über die Bergspitzen erhebt. In warmes, goldenes Licht getaucht, wirkt die ganze Landschaft sanft und wunderschön. Es ist ein traumhaftes Erlebnis und wir erkennen: jeder Meter hat sich gelohnt! Mit dem Naturschauspiel werden wir königlich belohnt. Momente, die unsere Seelen berühren.

Der Gipfelschnaps muss sein, er brennt angenehm die Kehle hinunter und tröstet uns über den zu wässrigen Kaffee hinweg, den Marie-Theres im Halbschlaf in die Thermoskannen gefüllt hat. Die Jausenbrote und Bananen stärken uns für den Abstieg.

Der Weg nach unten erfolgt gut gelaunt und unbeschwert. Wir durchwandern eine Berglandschaft, die einfach unwirklich schön ist. Blühende Almrosen, soweit das Auge reicht. Plätscherndes Wasser, an dem wir die fein würzige Bachlkresse kosten. Felder voller Wollgras, das ich nicht pflücke, weil es unter Naturschutz steht. Und der Blick auf den riesigen, schroffen Felsen der Gerlossteinwand, der im Licht der Sonne majestätisch strahlt.

Der Tag ist immer noch jung, als wir beim Auto ankommen. Ich fühle mich großartig, als wir mit der Postkutsche die Rodelbahn wieder hinunterfahren. Alle sind gut gelaunt und voller Vorfreude auf das herrliche Buffet, das uns im DasPosthotel und in MalisGarten erwartet.

Während die Sportler ein ausgewogenes Frühstück genießen, schlemmen Judy und ich wie die Weltmeister. Wir kommen zur Erkenntnis, dass der Abstieg wunderschön war. Er motiviert uns alle, den Aufstieg wieder in Angriff zu nehmen. Gestärkt von der Erkenntnis, den Berg aus eigener Kraft erklommen zu haben. Oben angekommen zu sein. Von der Aussicht, die sich uns am Gipfel dargeboten hat, vom Naturschauspiel des Sonnenaufgangs. Kein Theaterstück könnte schöner inszeniert sein.

All das ermöglicht uns nur der Abstieg, ohne den kein Aufstieg möglich wäre. So liegt das Ziel vielleicht tatsächlich im Tale, wo der Aufstieg begann, wie Gustav Jung es formulierte…

WanderrouteRundwanderweg Gerlosstein

Bergtour: Gerlossteinwand (2.166 m)

Nr. 8 Aussichtsreiche Bergtour auf die prächtige Gerlossteinwand (2.166 m)

Mit dem Wanderbus oder mit dem Auto fahren Sie zur Talstation der Gerlossteinbahn in Hainzenberg. Nach der Auffahrt mit der Gondel haben Sie den Ausgangspunkt der vielversprechenden Wanderung, die Bergstation der
Gerlossteinbahn (1.650 m), erreicht.

Die Tour startet an der Ausstiegsstelle nach rechts in Blickrichtung der Gerlossteinwand (2.166 m) mit einem etwas steileren Aufstieg, weshalb die Wanderung in diese Richtung empfohlen wird. Außerdem wandert man vormittags im Schatten und kann beim flacheren Abstieg am Nachmittag die tolle Aussicht auf den Brandberger Kolm (2.700 m) in der Sonne genießen. Nach ca. einer halben Stunde Gehzeit erreichen Sie unterhalb von zwei kleinen Holzhütten eine kleine Weggabelung, die auch zum Klettersteig Gerlossteinwand führt. Hier können Sie entweder gerade aus weitergehen und steileren Anstieg "Wandsteig" (schwer) wählen oder den rechten flacheren Weg auf den Sattel des Arbiskogel (1.830 m - mittel) nehmen, wodurch sich der Weg zum Gipfel allerdings um ca. eine halbe Stunde verlängert.

Angekommen auf dem Gipfel der Gerlossteinwand (2.166 m), lassen Sie einfach den traumhaften Rundumblick auf die Zillertaler Alpen, die Tuxer Vorberge, die Kitzbüheler Alpen und die Rofangruppe auf sich wirken! Den Rückweg treten Sie nach Süden in Richtung Freikopf an. Bei der Weggabelung gehen Sie links, es folgt ein kurzer ca. 5-minütiger Anstieg bis zur Scharte, von wo es schließlich abwärts über das Steinkar bis zum Heimjöchl (1.984 m) geht. Vom Heimjöchl (1.984 m) gelangen Sie auf dem linken Wanderweg Nr. 8 zurück zum Ausgangspunkt.

 

Quelle: Tourismusverband Zell am Ziller

www.zillertalarena.com/de/zell/sommer/touren-im-wandergebiet-gerlosstein.html